Gibt es philosophische Erkenntnis, so ist das das Überkommen bisheriger Paradigmen. Solche Erkenntnis ist im philosophischen Kontext wie eine Flüssigkeit: Sie ist nicht greifbar. In einem Dialog mit anderen muß diese standhalten – und wenn sie nicht zerschmettert wird, werden ihre Ecken und Kanten bestenfalls beschliffen. In zeitlich-historischem Kontext ist auch diese Erkenntnis nur eine Stufe in einer größeren. Aber gerade diese Angreifbarkeit ist Notwendigkeit und Problem der Praktikabilität von Philosophie: Sie muß zu einer Ideologie werden, um von praktischem Nutzen zu sein. Ihr müssen einfache Handlungsgrundsätze entlehnt werden, um in der Realität der menschlichen Willkür Ausdruck finden zu können. Das Dilemma beginnt ab eben diesem Zeitpunkt: Ideologie ist keine Philosophie, keine Flüssigkeit mehr. Vielmehr ist Ideologie geronnene Philosophie – so, wie aus Politik das Gesetz gerinnt. Und ab jenem Moment der Gerinnung geht sie an der Wirklichkeit vorbei. So, wie sich Gesetz immer wieder den tatsächlichen Gegebenheiten anpassen muß, muß es auch eine Ideologie. Doch das hat bisher nie funktioniert. (Darüber hinaus entfernen sich einfache Handlungsgrundsätze von dem diffizilen Gleichgewicht einer Philosophie. Sie verkommt zu einem stupiden, stumpfen, auswendig gelernten, unverstandenen und ritualen Instrument zur Massenkontrolle.)
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