Wenn der Mensch handelt, dann hat er vorher Prioritäten gesetzt. ‚Was mache ich zuerst?‘ mag er sich vorher gefragt haben. Man hat ja immer mehr als eine Sache zu erledigen. Dem Bundestag mangelt es natürlich ebensowenig wie dem Einzelnen an Aufgaben. Nur feststehende Prioritäten hat er nicht. Fragt man einen Politiker nach Wirtschaft, ist die momentan natürlich höchste Priorität. Fragt man ihn nach der Bildungspolitik mag er schon ins Stocken kommen: Die hat natürlich auch Priorität.
Das nimmt dem Wort Priorität im diplomatischem Aspekt jeden Sinn. Priorisierung bedeutet „der Vorderere“, aus dem Latein von prior. Es kann also nur einen geben.
Bleiben wir bei Bildung und Wirtschaft. Zeichnen wir ein Horrorszenario (rekurrierend auf die 20er bis 40er Jahre des 20. Jh.): Der Staat macht neue Schulden. Pumpt Geld in Fässer ohne Boden: In Pleitebanken. Die Hoffnung ist von einem mulmigen Gefühl durchzogen: Was passiert mit diesem Geld wirklich? Und ist es nicht vielleicht Zeit, das ganze System der Schulden, was den Kapitalismus ausmacht (Robert von Heusinger, Frankfurter Rundschau am 15.02.2009) einmal neu zu überdenken? Gerade diese Frage getraut sich niemand zu stellen. Dann wäre das Chaos ab sofort perfekt. Die Bürger hätten gleich gar kein Vertrauen mehr – denn die neue Zeit wäre schrecklich unvorhersehbar. Und „den Bürgern Mut machen“ (unser neuer Wirtschaftsminister) ist ja Aufgabe der Politik.
Dann eben noch zwei oder drei Jahre Gezerre bis die letzte Kohle auch noch verbrannt ist. Dann drucken die Staatsbanken Geld, unsere Brötchen kosten 25.000 Euro das Stück und wohl dem, der im Keller statt Gold Schnaps und Zigaretten gebunkert hat. Dann wird jeder Bürger (mutlos) auf die demokratische, freiheitliche Regierung zurückblicken und auf Freiheit wie auf Demokratie pfeifen. Dann wird eine charismatischer und mutig wirkender Führer ausgeschrieben. Der findet sich. Und da wir ja die letzten Jahrzehnte die Priorität auf Wirtschaftswachstum statt auf Bildung gelegt haben, werden die meisten Bürger sich gerne führen lassen.
Zurück auf Anfang: Neue Schulden zur Rettung eines alten, offensichtlich gegen die Wand gefahrenen Systems ist Strategie unserer Wirtschaftspolitik. Bildung hat Priorität – aber eindeutig eine niedere. Man sieht schnell, welchen Stellenwert die Dinge haben, wenn man in der Krise steckt. Das untermauert nur die Theorie – und die empirische Beobachtung der letzen Jahre, daß für das Weltverständnis der Politik allein Wirtschaft unser aller Seelen retten kann.