Es ist verwirrend, wenn man die Begriffe links, rechts, progressiv und konservativ verorten will. Nehmen wir die Grünen: Die sind eigentlich progressiv, wie sie daherkommen und vertreten zutiefst konservative Werte. Wenn es um den Erhalt der Ökologie, der Natur, der natürlichen Lebensräume geht, wird da auf etwas Hergebrachtes, Uraltes, Ultra-Konservatives als Wert verwiesen. Der Umstand, dass genau das progressiv erscheint, sollte uns zu denken geben, ob wir schon in einer Welt jenseits natürlichem Gleichgewichts leben.
Dann sind da die Schwarzen, die sich als Konservative sehen, weil sie ein mystizistisches C wie „christlich“ vor sich hertragen. Ihre Konservativität ist aber keine christliche, sondern eine materialistische. Bewahrt werden solche Werte, die sich in Kapital ausdrücken und zugleich hinter Progressivität verstecken. „Innovation“, „Flexibilität“ und „Technik, die begeistert“ sind auf konservativem Nährboden gewachsen. Christlich ist dabei lediglich der ordnende Rahmen der christlichen Werte in Verbindung mit dem Zivilrecht.
Wenn man die Linke, die im Grunde progressive Ideen vertritt, aus dem Blickwinkel des Ex-DDR-Bürgers betrachtet, bleibt es paradox. Denn das progressive Linke zielt vermeintlich auf eine überkommene Zeit eines großen Experiments hin. Hat dies nicht den staubigen Geruch des Konservativen, Rückwärtsgewandten? Vielleicht kann man sich mit den Linken darauf einigen: Progressiv ist es, wenn es gegen den status quo geht. Insofern existiert Links nur in Opposition.
Unwillkürlich bewegen sich die Gedanken zum diametralen Rechts, dem großen Feind der Liberalität. Momentant nehmen die sich als ultra-konservativ sehenden, völkisch und damit anti-individualistischen Gruppierungen progressive Ideen auf. Mit Alu-Hut-tragenden Querdenk- Jüngern, Esoterikern und veganen Köchen mit nicht-arischen Wurzeln stehen sie vor dem Reichstagsgebäude in Einigkeit. Natürlich darf das nicht täuschen. Es ist dem Rechten immerhin eigen, sich „zu säubern“, sobald die Möglichkeit gegeben ist. Da sind ihre ultra-konservativen Werte die des „rein“ Gewachsenen, dem ungebrochenen Strang der Gene, der Zucht, der Herkunft. Progressivität steckt in ihrer Forschung und Technologie zur Kontrolle und zum Zwang. Das Rechte ist die ultimative Selbstverteidigung einer in sich geschlossenen Gesellschaft – auch gegen die eigenen Bürger.
Es ist nicht zu empfehlen, mit Begriffen wie „links“, „rechts“, „liberal“, „progressiv“ um sich zu werfen, ohne sich über ihre Bedeutungen geeinigt zu haben. Vielleicht ist es am besten, man wirft das alles über Bord und nutzt akkurate, definitive Bezeichungen. Eine Auswahl an Möglichkeiten: Sozial, asozial, ungebildet, verbildetet, antiquiert, menschenverachtend, völkisch, offen, anständig, religiös, wissenschaftlich, ver-wissenschaftlicht, etc.