Es gab Heide, ein Spitzname für Heidtraut vielleicht oder was auch immer. Jeder nannte sie Heide und keiner störte sich daran, wenn sie auf dem Männerklo, ein Bein gegen die Wand gestemmt, die Unterhose zur Seite zog und im Strahl in‘s Urinal pißte. „Was ihr Kerle könnt, kann ich schon lange!“ Jeder kannte Heide und nahm es ihr nicht krumm, wenn sie auf dem Männerklo stand. Auch wenn es jedesmal eine Anekdote und Gelächter wert war. Auch als der dorfbekannte Schwule mit dem Nachwuchs hinter dem Friseursalon Sex hatte, zerriß man sich die Mäuler. Jeder wußte es, manche scherzten und das Leben ging weiter. Wenn man Udo, denSchwulen als „Schwanzlutscher“ bezeichnete, was selten vorkam, gab es von Udo eine in die Fresse. Udo war stolz und stand für sich selbst ein. Fraglos, daß der Faustschlag verdient war. Genausowenig ließ Heide „Mannsweib“ auf sich sitzen. Man respektierte sie. Auch wenn sie stets eine Besonderheit war, war sie nie eine Ausnahme.
Die Lektion war, daß es keine Gleichheit gibt. Jeder Mensch hat die gleichen Rechte, doch wir sind nicht gleich. Und jeder soll und muß die Möglichkeit haben, seine Rechte auszuüben und zu verteidigen. Heute versuchen wir stattdessen Minderheiten zu definieren und die Mehrheit zu einer Toleranz zu erziehen, die unverständlich ist. Wenn ich Udo Schwanzlutscher nenne, gab es womöglich ein Problem mit meiner Erziehung. Doch Udo hätte mir auch herzlich gerne eine Lektion in Nachhilfe erteilt. Sein gutes Recht.