In der Wohnung eines Menschen entfaltet sich dessen wahre Freiheit. Das birgt Gefahren in sich. Es fängt alles ganz harmlos an: Man kauft sich eine neue Zimmerpflanze und einen schicken Topf dazu. Das wird fein! Mit Topf, Pflanze und einem Blumenerden-Sack-Zipfel zwischen den Zähnen beginnt man an der Wohnungstür herumzuwurschteln, kramt nach dem Schlüssel wobei man sorgenvoll bemerkt, wie sich der Blumenerden-Plasticksack zwischen den Zähnen immer weiter dehnt (10 Kilo immerhin!). Und man ahnt Schreckliches. Dieser dämliche Schlüssel, diese dämlichen engen Jeans… wo hängt er denn… Das Ding, äh die Pflanze, ist ja schön lang, 100cm stand auf dem Zettel im Baumarkt. Das nervt aber gerade: Während der Schlüsselkramerei gesellen sich Gleichgewichtsprobleme mit Topf und Pflanze hinzu. Ich könnte den Sack und die Pflanze und überhaupt den ganzen miesen Plunder ja abstellen. Aufgeben is‘ nich! Die Spucke läuft mir in die Mundwinkel; unwillkürlich beginne ich, am Plastiksack voller Blumendreck zu saugen. Auf dem Zettel standen auch Pflegetipps. Scheiße! Schon wieder vergessen, wie das mit Licht und Wasser war. Wo hängt der verdammte Schlüssel!?!? Schon bilden sich Falten auf der schweißnassen Stirn…
Endlich im Zimmer gefällt der bisher imaginär-perfekte Platz gar nicht. Paßt nicht. Es sei denn, ich schiebe die andere Pflanze in die Ecke dort neben dem Schrank. Hmmm… aber da ist wieder zu wenig Licht. Wenn ich den Schrank aber neben das Fenster schieben würde – die Pflanze sieht da drauf echt gut aus… Aber dann muß der Schreibtisch hier weg. Der könnte ja in die Ecke da drüben. Ist zwar ziemlich dunkel, aber ich mag’s, mich zu verkriechen. Bloß steht da die Stereoanlage… Arghh.. Wenn ich an das Strippengeziehe denke. Da könnte mir schon wieder die große kalte Kosta… könnte mir da. Naja, kann durchaus lustvoll werden, alles mal wieder neu zu verkabeln. Dann aber gleich Staublappen mitnehmen – wenn ich dafür Zeit finde.
Das Problem mit der Stereoanlage entpuppt sich als schwierigstes: Zwei Standboxen gehören auch noch dazu – aber wo rückt man die dann wieder hin? Immerhin hat die Couch auch einen neuen Platz – ich will ja nicht, daß ich von der direkt auf den Schreibtisch gucke, sondern lieber auf die Stereoanlage. Warum habe ich eigentlich noch so eine alte Stereo 2.1-Schwarte? Verdammte Scheiße! Staubiges Ungetüm. Staublappen… ach, scheiß drauf. Das klebt ja nun sowieso alles an meinen Händen. So ein paar kleine Satellitenboxen bräuchte man und dann hat sich’s. Kostet wieder Kohle. Nicht da. Irgendwas ist ja immer. (Stirnfalten werden tiefer.) Überhaupt: Die AnlDer age st jetzt 15 Jahre alt und ich konnte mir keine neue in der ganzen Zeit leisten. Warum nicht? Verdiene ich denn so wenig? Ich verdiene jedenfalls mehr als ich bekomme. So ist das. Verdammt, verdammt. Und dann der Schrank: Wenn ich den noch zweimal rücke, dann fällt das Teil gleich auseinander. Auch uralt. Das kann nicht wahr sein… Wenigstens hält der Schreibtisch. Aber der hat mir noch nie gefallen.
Inzwischen sitze ich auf der Couch und starre grimmig auf die Wand. Dem Blick meiner neuen Pflanze weiche ich aus. Womöglich gefällt mir nicht, wo sie steht…
Ungefähr 42 Minuten und 23 Sekunden später grübele ich immernoch und habe neue Varianten im Geiste ausprobiert. Dabei habe ich festgestellt, daß mein Bürostuhl auseinanderfällt und dieser tolle EBay-Liegesessel einen Riß hat. Stirnfalten sind Canyons inzwischen. Das Bücherregal da ist verdübelt. Kann ich auch nicht rücken. Ach, alles Mist. Warum diesen ganzen Müll von einer Ecke in die andere rücken? Das mache ich ja andauernd in der Küche… Apropos Küche. Wenn ich jetzt da rein schaue, dann ist der Tag gleich im Eimer. Scheiß Pflanze! Versaut mir doch glatt das Wochenende…