Viel schlimmer als die äußere ist die innere, die psychische Homogenität, die sich in der Moderne ergeben hat. Vielleicht begann das schon mit Luther und seiner Übersetzung der Bibel: Die psychische Gleichschaltung durch einheitliche Medien. Damals war die Bibel das Standardwerk – wer konnte sich schon andere Bücher leisten? Menschen, die lasen, lasen diese und entnahmen den Zeilen die für ihren Geist von da an gültige Wahrheit.
Heute hat die Diversität der Medien zugenommen – gewaltig. Allerdings ist ihre Botschaft durchsetzt mit Gleichmachung – dem Setzen von Standards. Wir meinen (nicht nur) heute, den Normalzustand menschlichen Daseins zu kennen – und daher auch seine Abweichungen. Wir wissen, wann ein Mensch fett, wann einer häßlich ist. Wir meinen, gute von schlechten Produkten zu unterscheiden und qualitative Unterschiede zu bemerken zwischen diesem und jenem Wein. Besonders der Mensch als Individuum leidet darunter: Als Beurteilter und Beurteilender. Alles, was nicht dem gemeinen Standard entspricht, ist billig, häßlich, bemitleidenswert, lächerlich, abstoßend. Beim Anblick des Glöckner von Notre Dame schwanken wir zwischen Amusement und Ekel. Gemeiner Kitzel!
Menschen haben das falsche Aussehen, das falsche Parfüm, das falsche Alter, die falsche Größe, zu kleine Titten, zuviele Haare hier, zuwenig dort… Das Falsche existiert nur in unserem Geist. Äußerlich „ernstzunehmende“ Personen (Kleider machen Leute und Titten eine verführerische Frau), geben wir ihnen innerlich sympathisch Kredit. Die Enttäuschung wird umso größer ausfallen, wenn das Innere der Erwartung nicht entspricht.
Politisch entstehen die Probleme erst hier – beim Aufeinanderprallen von inneren Ansichten – für die jeweils die andere die Abweichung vom Normalzustand darstellt… Willkommen im Krieg.